04.06.2013

Wenn Brustkrebs "in der Familie" liegt

Heide - Die Entfernung der Brustdrüsen, um einer Krebserkrankung vorzubeugen, ist für die allermeisten Frauen weder sinnvoll noch empfehlenswert. Das wurde bei einem Informationsabend der Frauenklinik am Westküstenklinikum Heide (WKK) deutlich. Zuvor hatte Angelina Jolie eine weltweite öffentliche Diskussion in Gang gebracht, weil sie diesen Schritt gegangen war. Aber: Beim Hollywood-Star war zuvor eine Veränderung im Gen BRCA1 nachgewiesen worden. Diese mit dieser Genveränderung assoziierte erbliche Veranlagung erhöht tatsächlich deutlich das Risiko, im Laufe des Lebens an Brustkrebs zu erkranken.

"Bei 90 bis 95 Prozent aller Patientinnen tritt Brustkrebs ‚sporadisch' auf. Und nur bei etwa fünf bis zehn Prozent ist er auf eine Veranlagung zu-rück zu führen, die auf einer Veränderung in einem einzigen Gen wie BRCA1 beruht", berichtete Prof. Dr. Reiner Siebert, Direktor des Instituts für Humangenetik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH). Auch wenn diese Krebsform in einer Familie mehrfach vorkommt, muss dies keineswegs zwangsläufig bedeuten, dass eine erbliche Veranlagung vorliegt, da die Krankheit statistisch gesehen ohnehin sehr häufig auftritt.

Prof. Siebert, der eigens aus Kiel angereist war, um sich den Fragen der interessierten Zuhörerinnen zu stellen, zeigte in seinem Vortrag zur erblichen Veranlagung von Krebserkrankungen, wann die Wahrscheinlichkeit für eine Veränderung in einem der bekannten Brustkrebsgene BRCA1 oder BRCA2 in einer Familie besonders groß ist.
Frauen, die Gewissheit über ihr individuelles Risiko haben wollen, können sich an die humangenetische Beratungssprechstunde des Instituts für Humangenetik des UKSH wenden, die regelmäßig auch im WKK Heide stattfindet. Terminabsprachen im WKK sind dabei unter der Telefonnummer (0481) 785 1593 möglich.

Um durch einen Gentest das individuelle Risiko einer bislang gesunden Person in einer Familie mit mehreren Fällen von Brust- oder Eierstockkrebs bestimmen zu können, ist in der Regel zunächst die Testung einer erkrankten Person aus der Familie empfehlenswert. "Diese muss natürlich zunächst umfassend über den Test und mögliche Testergebnisse informiert werden und auch mit der Weitergabe des Testergebnisses an die Verwandten einverstanden sein", erläutert Prof. Siebert. "Denn jede Person hat ein Recht auf Nichtwissen." Insbesondere bei einem vorhersagenden Gentest, also der Testung einer gesunden Person auf eine erbliche Veranlagung, sollten im Vorfeld auch potenziell negative Aspekte wie die psychische Belastung durch das Wissen bedacht werden. "Wir geben deshalb unseren gesunden Ratsuchenden nach dem Beratungsgespräch immer eine ausführliche Bedenkzeit, in der Regel mindestens vier Wochen, nachdem wir sie zuvor umfassend über alle potentiellen Vor- und Nachteile eines solchen Tests beraten haben", erklärte Prof. Siebert.

Die Auseinandersetzung mit einer familiären Veranlagung und einem eventuellen Gentest zieht jedoch bereits zwangsläufig weitere Fragen nach sich: Was kann man tun, wenn tatsächlich eine Veränderung in einem der bekannten Risikogene BRCA1 oder BRCA2 nachgewiesen wird? Angelina Jolie hat offenbar aufgrund dieser Diagnose den radikalen Schritt gewählt, der in den USA deutlich häufiger vorkommt als in anderen Staaten. Auch in Deutschland ist die Entfernung der Brustdrüsen und der Eierstöcke bei einigen Konstellationen eine Option, die in entsprechenden Zentren - als Kassenleistung - angeboten und auch genutzt wird.

Dr. Thomas Kunz, Chefarzt der Frauenklinik am WKK, empfahl jedoch, eine solche Entscheidung sehr bewusst zu treffen. Wie jede OP berge der mehrere Stunden dauernde Eingriff Risiken. "Der Wiederaufbau beider Brüste kann ebenfalls zu einer seelischen Belastung führen. Und nicht immer gelingt das Ergebnis so gut, wie es in den Medien zuweilen dargestellt wird", gibt der Gynäkologe zu bedenken. Allerdings berichtete er von Patientinnen, die sich nach Entnahme beider Brustdrüsen auch ohne einen Wiederaufbau wohl fühlen.

Alternativen für eine prophylaktische Operation ist eine regelmäßige Überwachung der Patientinnen durch bildgebende Verfahren wie Sonographie, Mammographie und Kernspin, und zwar auch schon in jungen Jahren. Mit entsprechenden Früherkennungsprogrammen, wie sie speziell für Personen mit einer erblichen Veranlagung entwickelt wurden, kann ein eventuell auftretender Krebs früh entdeckt und dementsprechend behandelt werden.

Prof. Dr. Reiner Siebert erläuterte, wie die erbliche Veranlagung und das Brustkrebs-Risiko zusammenhängen.