25.06.2009

Bakterien den Kampf angesagt

Westküstenklinikum: Umfassende Hygienemaßnahmen im Kampf gegen MRSA/ORSA

Heide – Mit verschärften Hygienemaßnahmen geht das Westküstenklini­kum gegen die Verbreitung von Bakterien vor, die mittlerweile unem­pfind­lich gegen viele Antibiotika sind. Aufwendige Eingangsbefragun­gen, Schnell­tests, Isolierung des Patienten und Therapie – die Liste der Maßnahmen orientiert sich an den strengen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und ist nicht immer für jeden Patienten angenehm. „Nur wenn wir konsequent alle Hygienemaßnahmen umsetzen, haben wir eine Chance die weitere Verbreitung der Keime zu verhindern. Eine vollständige Ausrottung ist nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft ohnehin kaum möglich“, erklärt Prof. Dr. Fritz S. Keck, Chefarzt der Medizinischen Klinik.

Die unter den Abkürzungen MRSA oder auch ORSA bekannt gewordenen Staphylokokken-Bakterienstämme sind weltweit auf dem Vormarsch. Sie werden zuneh­mend zu stillen Begleitern des Menschen. Gesunden Menschen schaden sie zum Glück nicht. Bei kranken Personen jedoch, deren Immun­system ohnehin geschwächt ist, können die Erreger großen Schaden anrichten, vom Furunkel bis zu lebensbedrohlichen Erkrankungen. Die üblichen Antibiotika helfen dann nicht mehr. Oft müssen die Ärzte wie Detektive nach dem richtigen Mittel suchen, das doch noch eine positive Wirkung zeigt.

Da MRSA/ORSA vor allem bei kranken und älteren Menschen vorkommen, sind Krankenhäuser und Seniorenheime besonders gefähr­det. Das führt dazu, dass die relative Häufigkeit von MRSA/ORSA an der Gesamtzahl dieser besonderen Staphylokokken im Kranken­haus zum Beispiel in Frankreich, Spanien und Italien bei mehr als 30 Prozent liegt. In Deutschland sind es etwa 22 Prozent. Im Jahre 2008 wurde im WKK Heide bei 253 Patienten (von insgesamt 22.654) eine MRSA/ORSA-Besiedelung nachgewiesen.  Dabei wurden 75,9 Prozent der Keime ins Krankenhaus mitgebracht. Die 24,1 Prozent im Krankenhaus erworbenen Besiedelungen in Heide entsprechen den deutschen Referenzwerten (26,4 Prozent)

Um die Verbreitung der Krankheitserreger im Westküstenklinikum einzugrenzen und wenn möglich ganz zu verhindern, hat sich  seit 2007 die Hygiene-Kommission des WKK Heide strenge Vorschriften gegeben, die von Dr. Anna Maria Schweiger, Leitende Oberärztin des Instituts für Laboratoriumsmedizin, erläutert werden:

  • Alle Risikopatienten werden systematisch erfasst. Das sind zum Beispiel alle Patienten, die aus Pflegeheimen kommen; weiter solche, bei denen eine Vorbesiedelung mit diesem Keim bekannt ist, Patienten mit chronischen Hautläsionen, Brandverletzungen oder liegenden Katheter etc.. Durch einen Labortest wird bei der Aufnahme des Patienten ins Krankenhaus geklärt, ob der Patient einen MRSA/ORSA-Befall aufweist oder nicht.
  • Bei positiven Befunden wird der Patient von anderen isoliert. In seinem Zimmer gelten spezielle Hygienemaßnahmen, denen sich auch die Angehörigen zu unterwerfen haben.
  • Patienten, die bereits einmal vor kurzem mit MRSA/ORSA besiedelt waren und entsprechend behandelt wurden, werden vorsorglich isoliert und einem besonderen Labortest unterzogen, der zwischen abgetöteten und aktiven Keimen unterscheiden kann.

Patienten, bei denen die MRSA/ORSA-Infektion nachgewiesen wurde, werden nun mit speziellen Antibiotika behandelt. Bei anderen werden vorsorglich Maßnahmen zur „Entkolonisierung“ ergriffen; dazu gehört zum Beispiel der Einsatz einer speziellen Nasensalbe, da die Keime sich in der Nasenschleimhaut besonders gern einnisten. Doch selbst, wenn die Maßnahmen erfolgreich sind, kann der Patient kurz nach der Entlassung wieder von den Bakterien besiedelt werden.

Die Gründe für das Aufkommen von antibiotikaresistenten Erregern ist noch nicht bis ins Detail erforscht. Viele Wissenschaftler sehen jedoch einen Zusammenhang zwischen zu häufigem Einsatz von Antibiotika bei Menschen und auch in der Tiermast. Prof. Keck warnt daher vor dem Einsatz der Mittel zum Beispiel bei grippalen Infekten: „In solchen Fällen bewirken diese Medikamente für die Heilung des Patienten gar nichts. Wenn zu oft Antibiotika bei Krankheiten verschrieben werden, für die sie gar nicht geeignet sind, wird dies sogar auf Dauer schädlich sein.“

Prof. Dr. Keck und Dr. Schweiger mit einer Staphylokokken-Kultur.