Heide - Was sollen Ärzte und Pflegepersonal tun, wenn Sie bei einem Patienten an die Grenzen des medizinisch Machbaren stoßen? Wie sollen Angehörige sich verhalten, wenn sie entscheiden müssen, ob lebensverlängernde Maßnahmen fortgeführt werden sollen? Tagtäglich werden Menschen im Westküstenklinikum Heide mit den ethischen Problemen an den Grenzen der Medizin konfrontiert. Und dabei gibt es meistens nur eine Entscheidungshilfe für die Angehörigen und Klinikmitarbeiter: der Wille des Patienten. Doch oft sind Betroffene nicht mehr ansprechbar, wenn diese Fragen anstehen. Dann ist eine Patientenverfügung sinnvoll, die in weiser Voraussicht noch bei vollem Bewusstsein und möglichst lange vor dem Ernstfall verfasst wurde. Das Westküstenklinikum ist bei der Archivierung solcher Verfügungen mittlerweile bundesweit an der Spitze. 2700 Patientenverfügungen sind im System hinterlegt und können im Bedarfsfall binnen Stunden abgerufen werden.
"Wir können im Grunde allen Menschen nur dringend raten, eine Patientenverfügung zu verfassen und zu hinterlegen, solange sie selbstbestimmt über ihre Wünsche entscheiden können. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass der individuelle Wille im Bedarfsfall auch tatsächlich beachtet wird", erläutert Dr. Arnd T. May, einer der bundesweit führenden Medizinethiker, der auch das Westküstenklinikum Heide berät.
Auch das seit 2003 am WKK etablierte Ethikkomitee ist mit diesen Fragen befasst. Das Komitee beschäftigt sich mit der Beratung in konkreten ethischen Konfliktsituationen und der Sensibilisierung und Fortbildung der Mitarbeiter für pflege- und medizinethische Fragen. Außerdem ist es zuständig für die Erarbeitung von Leitlinien bei ethisch relevanten Fragen, wie zum Beispiel der Umgang mit Fehl- und Totgeburten, Hirntod und Organspende sowie Änderung des Therapiezieles. Das Ethikkomitee setzt sich aus Krankenhausärzten, niedergelassenen Dithmarscher Ärzten, Pflegekräften, Juristen und einer Seelsorgerin zusammen und tagt regelmäßig alle sechs bis acht Wochen.
"Zu einer Fallbesprechung kann aber auch eine verkleinerte Arbeitsgruppe innerhalb einiger Stunden zusammenkommen, um Angehörige, Ärzte und Pflegepersonal zu beraten", erläutert Doris Ziessow, Vorsitzende des Ethikkomitees, die Vorgehensweise. Dann müssen mindestens fünf Mit-glieder des Komitees zusammenkommen, wobei die Teilnahme eines Arztes und einer Pflegeperson vorgeschrieben ist.
Eine häufig auftretende Frage ist, ob ein Patient weiterhin künstlich ernährt werden soll oder nicht. Während das Legen einer Ernährungssonde bei einem jungen Unfallopfer kaum diskutiert werden muss, kann sich bei Patienten, die neben schweren Erkrankungen an einer fortgeschrittenen geistigen Einschränkung leiden, die Frage stellen, ob der Betroffene mit Hilfe einer Ernährungssonde am Leben erhalten werden möchte. "Oft lässt sich der Wunsch des Patienten in einer solchen Situation nicht mehr nachvollziehen, beschreibt Dr. Tilman von Spiegel, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin und Vorstandsmitglied des Ethikkomitees, das Problem.
Leichter fallen die Entscheidungen, wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Das Ethikkomitee hat in Zusammenarbeit mit dem Seniorenbeirat der Stadt Heide eine Leitlinie zum Umgang mit Patientenverfügungen erarbeitet. Seit 2003 können Kopien der schriftlichen Verfügungen im Westküstenklinikum hinterlegt werden, die direkt vom Patienten oder aber bei einem Rechtsanwalt abgefasst wurde. Ein Hinweis in der Patientenakte zeigt Ärzten und Pflegepersonal an, dass eine Verfügung vorliegt. "Eine Patientenverfügung ist nicht automatisch eine reine Verzichtserklärung und im Anwendungsfall muss stets der mutmaßliche Wille des Patienten ermittelt werden. Dazu ist eine Patientenverfügung sehr hilfreich", betont Dr. May.
Patientenverfügungen können im Westküstenklinikum Heide hinterlegt werden, indem Sie eine Kopie der unterzeichneten Patientenverfügung an das Qualitätsmanagement im Westküstenklinikum Heide schicken.
Im Laufe des ersten Quartals dieses Jahres werden die bisher vorhandenen Patientenverfügungen digitalisiert um noch schneller auf diese zugreifen zu können. Die Patientenverfügungen werden dabei eingescannt und in einer für Ärzte zugänglichen Datenbank hinterlegt.
Diese hochaktuelle Diskussion rund um die Thematik Patientenverfügungen und medizinethische Fragen soll jedoch nicht auf Dithmarschen beschränkt bleiben. Der 5K-Klinikverbund, dem neben dem WKK auch die Krankenhäuser in Bad Bramstedt, Itzehoe, Neumünster und Rendsburg-Eckernförde angehören, will das Thema unter Beteiligung von Dr. May weiter voranbringen. Die bewusste Auseinandersetzung mit ethischen Fragen im Krankenhaus fördert auch das respektvolle Miteinander und trägt zur Kultur im Krankenhaus bei. "Medizinethische Kompetenz hilft Patienten und Mitarbeitenden im Krankenhaus in der täglichen Praxis unter schwierigen Bedingungen im Zeitalter der Fallpauschalen", sagt Dr. May, der sich hauptberuflich mit Ethikberatung im Gesundheitswesen beschäftigt.
Weitere Informationen im Internet unter „<link internal-link internen link im aktuellen>Ethikkomitee” sowie unter <link http: www.ethikzentrum.de _blank>www.ethikzentrum.de; außerdem auf der Homepage der Ärztekammer Schleswig-Holstein ("Bürger-Info") unter <link https: www.aeksh.de _blank external-link-new-window external link in new>www.aeksh.de.
Definition Patientenverfügung:
Eine Patientenverfügung stellt eine vorsorgliche Willenserklärung für den Fall dar, dass eine Person vorübergehend oder auf Dauer nicht willensfähig ist. In der sogenannten Patientenverfügung sind neben Wünschen und Wertvorstellungen auch Anweisungen zu Behandlungsmaßnahmen enthalten. Diese Anweisungen können für bestimmte medizinische Situationen eingefordert, eingeschränkt oder auch abgelehnt werden.