02.03.2010

Wenn das Hirn schrumpft - und die Welt eine andere wird

Ethiktag zur Versorgung von Demenzkranken im Bildungszentrum

Heide - Die Zahl der Demenzkranken wird sich in den kommenden Jahrzehnten verdoppeln. Gibt es heute noch etwa eine Million Betroffene in Deutschland, so werden es angesichts der immer älter werdenden Menschen im Jahr 2050 bereits zwei Millionen oder mehr sein. "Je älter die Menschen werden, desto wahrscheinlicher wird die Erkrankung einer Form der Demenz", erläuterte Oberarzt Uwe Kettelhodt auf dem Ethiktag im Bildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen. Die Veranstaltung befasste sich mit dem Thema "Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen - Fürsorge vs. Bevormundung". Moderiert wurde sie von Doris Ziessow, Vorsitzendes Ethikkomitees des Westküstenklinikums Heide.

In seinem Einführungsreferat beschrieb Uwe Kettelhodt, wie sich eine demenzielle Erkrankung äußern kann und wie die Symptome behandelt werden. Risikofaktoren für Patienten sind unter anderem ererbte Anlagen aber auch eine sehr niedrige Bildung. Eine Heilung ist heute noch nicht möglich. Bestenfalls lässt sich die Phase, bis es zum Ausbruch kommt, um maximal acht bis zwölf Monate hinauszögern. Dann jedoch, so Kettelhodt schreite die Krankheit schnell voran und sorge in einer späteren Phase sogar für die Schrumpfung des Gehirns.

In einem sehr persönlich gehaltenen Bericht setzte sich anschließend Sabine Rönnspieß mit dem Thema auseinander. Die Krankenschwester, selbst Mitglied im Ethikkomitee, erzählte in eindrucksvoller Weise von ihrem an Demenz erkrankten Vater. Dabei ging sie nicht nur auf die Krankengeschichte ein, sondern zeigte eindringlich die Probleme auf, die in der ganzen Familie entstanden sind und Fragen der Pflege und der häuslichen Situation aufwerfen.

Auf die rechtlichen Aspekte bei der Behandlung und Pflege von Demenzkranken ging Peter Lemke ein. Der Hamburger Rechtsanwalt erläuterte dabei auch einige jüngere Urteile, in denen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten stärker in den Mittelpunkt gerückt wurde. Dabei wird offenbar in Kauf genommen, dass es auch zu Unfällen kommen kann. Sollte es jedoch zu Sicherungsmaßnahmen kommen, müsse dies gut dokumentiert und begründet sein. Bei einer Fixierung sei sogar eine richterliche Anordnung notwendig.

Engagiert und mit viel Leidenschaft beschrieb Dirk Wiedemann, wie demenzkranke Heimbewohner in der psychobiografische Pflege nach Prof. Erwin Böhm behandelt werden. Der Teamleiter im "Haus Dorothee", Jevenstedt, sprach sich dabei für ein hohes Maß an Toleranz gegenüber den Bewohnern aus. "Wir suchen gemeinsam immer nach der Normalität eines Bewohners, wie sie sich aus seiner Biografie ergibt. Denn dort fühlt er sich wohl", so Wiedemann. Deutlich wurde in seinem Vortrag, dass das Böhm-Konzept jedoch nur dann funktioniert, wenn die Mitarbeiter "alte Menschen mögen" und zudem sehr engagiert sind.

In der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Oberärztin Annette Güldenring moderiert wurde, beleuchtete Dr. Joachim Klatt, Hausarzt in Schafstedt und Mitglied im Ethikkomitee, noch einmal kritisch das Thema der Medikation. Darüber hinaus wurde vor allem das Problem der Angehörigen von Demenzkranken angesprochen; häufig, so der Tenor, täten sie sich sehr schwer, Hilfe zu finden oder aber Hilfe anzunehmen. Oft fühlten sich die Angehörigen aber auch allein gelassen mit ihren Sorgen.

Während der Podiumsdiskussion wurden auf dem Ethiktag im Westküstenklinikum die ethischen Probleme bei der Behandlung von an Demenz erkrankten Menschen offen angesprochen. (Foto: Kienitz/WKK)