12.07.2010

Unfälle im Wasser - wie Ärzte und Rettungsassistenten helfen können

Heide - Kein Schwimmunterricht, weniger Freibäder und eingeschränkte Bademöglichkeiten sorgen dafür, dass immer weniger Kinder Schwimmen lernen. Die Folge: In den kommenden Jahren ist mit einer steigenden Zahl von Unfällen im und am Wasser zu rechnen. "Notärzte und Rettungsassistenten sind auf diese Situation noch nicht genügend vorbereitet. Es fehlt am theoretischen Wissen und an persönlichen Erfahrungen", beschreibt PD Dr. Stefan Schröder, Leitender Oberarzt an der Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin des Westküstenklinikums Heide im schleswig-holsteinischen Kreis Dithmarschen, die Situation im Rettungswesen.

Das Westküstenklinikum Heide (WKK) liegt nur wenige Kilometer von der Nordseeküste entfernt. Mit einem eintägigen Symposium im Bildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen (BBG) am WKK ist daher der Wissens- und Erfahrungsaustausch im Themenbereich "Wasserrettung und Notfallmedizin" weiter vorangetrieben worden. Teilnehmer waren sowohl Ärzte, als auch Rettungsassistenten, denen zugleich eine kleine Industrieausstellung mit neuestem medizinischem Gerät geboten wurde.


Ziel der lange zuvor ausgebuchten Veranstaltung war  es nicht nur, theoretisches und praktisches Wissen zu vermitteln, sondern auch die Bildung von Netzwerken zu forcieren und Möglichkeiten gegenseitiger Unterstützung auszuloten. Dr. Schröder: "Wir streben einen inter- und multidisziplinären Dialog von Experten aus Notfallmedizin, Wasserrettung und angrenzenden Fachgebieten an." Dabei solle vor allem der Teamgedanke bei der Versorgung der Patienten gestärkt werden, um die Qualität der medizinischen Tätigkeiten stetig zu verbessern.


"Teamwork" und die Kommunikation zwischen den beteiligten Rettern war denn auch der zentrale Gedanke, der die Workshops beherrschte. Anhand von Schweinehälften, vor allem aber an inzwischen schon weitgehend ausgereiften Dummys übten Ärzte und Rettungsassistenten verschiedene Techniken, die im Alltag selten vorkommen. Dazu zählte das Legen eines intraossären Zugangs sowie einer Thoraxdrainage ebenso wie eine hypotherme Reanimation und der Einsatz mechanischer Reanimationshilfen.


Der Rettungsdienst mehrerer Kreise in Schleswig-Holstein (RKiSH) hatte für einen weiteren Workshop seinen neuen Trainings-RTW zur Verfügung gestellt. Das mit einem Patientensimulator und verschiedenen Kameras sowie PC-Anlagen ausgestattete Fahrzeug diente praxisnahen Szenarien, mit denen sich die Teilnehmer konfrontiert sahen.


Ein weiterer Workshop befasste sich mit der Reanimation von Kindern, die ebenfalls anhand einer Puppe geübt wurde. Dabei waren zwei Szenarien vorgegeben: der Ertrinkungsnotfall eines 13 Monate alten Kleinkindes für den präklinischen Bereich sowie die Versorgung eines Babys mit Schütteltrauma im klinischen Umfeld. Neu für die meisten Teilnehmer war in diesem Workshop unter anderem der Einsatz eines Spezial-Sets (Ezio) für intraossäre Zugänge. Diese Geräte sollen künftig in allen Notarzteinsatzfahrzeugen der RKiSH bereitgehalten werden.

In den anschließenden Vorträgen wurde die breite Vielfalt des geplanten Netzwerkes von Organisationen und Institutionen deutlich. Die Themenpalette reichte von medizinischen Fragestellungen wie die Behandlung von Notfällen im und am Wasser und der präklinischen Therapie von hypothermen Patienten bis zur Vorstellung von speziellen Organisationen wie dem Havariekommando und den SAR-Hubschraubern der deutschen Marine.

Die große Klammer des Symposiums war nach Ansicht von Dr. Schröder das so genannte "Crisis Resource Management" (CRM) beziehungsweise Zwischenfallmanagement, also vor allem Strategien im Umgang mit Belastungssituationen, das individuelle Verhalten im Team sowie die Anwendung effektiver Kommunikation in diesem Team. "Außerdem leben wir alle hier an der Küste. Wer, wenn nicht wir, sollte sich da nicht vordringlich um die Behandlung von Unfällen im und am Wasser kümmern?", meint der engagierte Notfallmediziner. Dazu, so Dr. Schröder weiter, sollten Richtlinien bei der Behandlung der Patienten erarbeitet - entsprechend den Therapieleitlinien in anderen Fächern - erarbeitet werden.

Organisiert wurde die Veranstaltung von Dr. Schröder, Dr. Tilman von Spiegel, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin am WKK, sowie Sascha Langewand, Leiter der RKiSH-Rettungsdienstakademie. Sie wurden dabei unter anderem von RKiSH-Mitarbeiter Jan Meuter sowie vom BBG unter Leitung von Angelika Nicol unterstützt. Teilnehmer waren zu einem Viertel Ärzte, zu drei Viertel Angehörige anderer medizinischer Berufe, darunter vor allem Rettungsassistenten und Lehrrettungsassistenten.



Literaturhinweis:
Schneider-Bichel, Dieter; Schröder Stefan (Hrsg.): Medizinische und technische Herausforderung an die Wasserrettung, Verlag ecomed Sicherheit, Landsberg 2010.

Im Workshop " Kinderreanimation" wurde eine neue Ezio-Technik für intraossäre Zugänge getestet. (Foto: Jahnke/Westküstenklinikum)

Im Workshop " Kinderreanimation" wurde eine neue Ezio-Technik für intraossäre Zugänge getestet. (Foto: Jahnke/Westküstenklinikum)

Im Workshop " Kinderreanimation" wurde eine neue Ezio-Technik für intraossäre Zugänge getestet. (Foto: Jahnke/Westküstenklinikum)