07.03.2011

Schädelhirntrauma: Patienten sollen landesweit besser versorgt werden

Heide - 40 Prozent aller Todesfälle nach einem Unfall sind auf ein Schädelhirntrauma zurückzuführen. Die Sterblichkeit ist damit deutlich höher als bei anderen Verletzungen. Die meisten Unfälle werden dabei im Straßenverkehr gezählt, wenngleich es auch im häuslichen Umfeld immer wieder zu Kopfverletzungen kommt, etwa durch Stürze oder Gewalt. Das frisch zertifizierte Traumanetzwerk Schleswig-Holstein will daher die Behandlungskette zur Versorgung der Patienten weiter verbessern. Dieses Ziel wurde bei einem gemeinsamen Symposium des Netzwerks zum Thema "Das Schädelhirntrauma von A-Z" im Heider Bildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen in Heide deutlich.

Prof. Dr. Andreas Seekamp, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, wies zu Beginn darauf hin, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Verkehrstoten abgenommen habe, nicht aber die Zahl der Verletzten insgesamt. Dabei sterben 12,6 Prozent der Patienten nach einem Trauma.

Der Moderator der Veranstaltung, Dr. Klaus-Dieter Lütjens, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Westküstenklinikum Heide, machte deutlich, dass das Ziel des Traumanetzwerks nicht nur die Senkung der Sterblichkeit sei, sondern auch die Lebensqualität des Patienten nach dem Unfall zu verbessern. Dies sei besonders im Hinblick auf das Schädelhirntrauma relevant. Immerhin ist das schwere Schädelhirntrauma der häufigste Grund für Behinderungen bei Kindern und Jugendlichen. Die Folgen sind zudem oft sehr schwerwiegend, und zwar bis hin zum Apallischen Syndrom ("Wachkoma").

Auch Dr. Urs Nissen, Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie am WKK, verwies auf die Jugendlichkeit der Patienten: "Die Mehrzahl der Betroffenen mit Schädelhirntrauma sind zwischen 15 und 24 Jahre alt. Und in der Regel haben sie keinen Helm getragen, waren also Fußgänger oder Radfahrer." Er wies in diesem Zusammenhang auf den immensen wirtschaftlichen Schaden hin, der durch diese Fälle entstehe. Im Jahr 2008 waren das immerhin 2,3 Milliarden Euro.

Dr. Tilman von Spiegel, Chefarzt Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Westküstenklinikum Heide und Notfallmediziner, erläuterte den Zuhörern die schnelle Traumauntersuchung, die in der Regel nicht länger als zwei Minuten dauern dürfe: Kopf, Hals, Lunge, Bauch, Becken. Zu den ersten akuten Maßnahmen am Unfallort gehören dementsprechend das Atemwegsmanagement und Wiederbelebungsmaßnahmen. "Glücklicherweise", sagte Dr. von Spiegel, "sind die Rettungs- und Notarztwagen mittlerweile viel besser ausgestattet, so dass heute vielen Patienten adäquat geholfen werden kann."

Anhand eines im WKK produzierten Lehrfilms wurde das Konzept der Koordination der Ärzte verschiedener Fachrichtungen durch einen Teamleiter erläutert. "Teamwork wird in regelmäßigen Trainings und durch videogestütztes Simulatortraining geübt", berichtete Thomas O. Zugck, Oberarzt in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin.

PD Dr. Reimer Andresen, Chefarzt des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie / Neuroradiologie in Heide, verdeutlichte in seinem Vortrag die Bedeutung des CT für die Diagnostik des Schädelhirntraumas. Dr. Andresen: "Bildgebende Verfahren sind die Mittel der Wahl. Konventionelles Röntgen spielt bei der Untersuchung eines Schädelhirntraumas keine Rolle mehr."

Was jedoch bei den erwachsenen Patienten gilt, muss nicht zwangsläufig auch beim Kind Anwendung finden. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Bei ihnen gibt es spezielle Verletzungsmuster und auch ein anderes Behandlungsergebnis", sagte PD Dr. R.-Christiane Seitz, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Am Beispiel des schwer zu diagnostizierenden "Shaken-Baby-Syndrom", das entsteht, wenn kleine Kinder allzu heftig geschüttelt werden, zeigte Dr. Seitz eindrucksvoll die Komplexität des Problems auf.

Zum Abschluss des Symposiums beschrieb Dr. Dr. Claus Ulrich Kuipers, Chefarzt der Klinik für Frührehabilitation und Geriatrie am WKK, die letzte Station der im Krankenhaus möglichen Behandlungskette, die Frührehabilitation (Phase B). Dabei, so Dr. Kuipers, komme es nicht nur auf die Rehafähigkeit und auf die therapeutischen Ziele an, sondern auch auf die Kooperationsbereitschaft des Patienten.

Im Anschluss an die Vorträge hatten die Teilnehmer noch die Gelegenheit, den Schockraum im Westküstenklinikum kennen zu lernen und mehr über das innovative Schockraumkonzept zu erfahren. Außerdem wurde von der Rettungsdienst Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) eine Schulung in der neuen Rettungsdienst Arena demonstriert.

Traumanetzwerk Schleswig-Holstein
Im Traumanetzwerk Schleswig-Holstein sind insgesamt 16 Krankenhäusern zusammengeschlossen. Nach den Maßgaben der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie soll das Konzept dazu dienen, die Behandlung der Schwerverletzten flächendeckend  zu verbessern. In einem Traumanetzwerk verbinden sich Krankenhäuser unterschiedlicher Leistungsfähigkeit als lokale, regionale und überregionale Traumazentren.

Dr. Klaus-Dieter Lütjens moderierte die Veranstaltung.