Heide/Brunsbüttel - Das Westküstenklinikum und der Kreis Dithmarschen wollen ihre Zusammenarbeit bei der Betreuung psychisch kranker oder von psychischer Krankheit bedrohter Menschen ausbauen. Mittelfristiges Ziel ist eine einzige Anlaufstelle, über die alle Anfragen geregelt werden können, die mit psychischen Störungen zu tun haben. Bei akuten Notfällen bleiben Klinik und Rettungsdienst kompetente Ansprechpartner. Für das bereits gegründete Gemeindepsychiatrische Zentrum (GPZ) soll dann auch ein Gebäude als zentrale Anlaufstelle bereitgestellt werden. Da das Vorhaben in dieser Form bundesweit bislang einzigartig ist, hat die schleswig-holsteinische Landesregierung bereits großes Interesse bekundet und will sich an dem Projekt beteiligen.
"Während in vielen anderen Kreisen die kategorische Trennung zwischen amtsärztlichen Aufgaben und der Betreuung von Patienten gepflegt wird und vieles parallel verläuft, streben wir in Dithmarschen eine weitestgehende Zusammenarbeit an", erläutert Dr. Thomas Birker, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am WKK. Bereits heute gibt es eine Kooperation, in der Fachärzte der Klinik gerufen werden, wenn ein psychisch Kranker dekompensiert.
"Durch den Einsatz der Fachärzte konnten wir die Zahl der Zwangsein-weisungen auf weniger als die Hälfte verringern", freut sich auch Daniela Erdmann, Leiterin des Fachdienstes Eingliederungshilfe beim Kreis. Oft können die Patienten nun ambulant oder in der Tagesklinik behandelt werden und müssen nicht stationär aufgenommen werden. Bei den Einsätzen handelt es sich um Maßnahmen nach dem Landesgesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (PsychKG).
Der Trend "ambulant vor Tagesklinik vor stationärem Aufenthalt" hat sich mittlerweile durchgesetzt. Hinzu kommt noch der Einsatz von Ärzten und Pflegekräften in der häuslichen Umgebung des Patienten. Wenn zum Beispiel ein an Schizophrenie Erkrankter nicht ins WKK gekommen ist, um sich seine monatliche Depotspritze geben zu lassen, geht das Per-sonal dem Fehlen auf den Grund und besucht den Patienten auch zu Hause. So lässt sich die akute Verschärfung eines psychiatrischen Problems behandeln, bevor es zu einer Eskalation kommt.
Angesichts der positiven Entwicklung ist die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Fachdienst durch zwei weitere Verträge vertieft worden. Nach Gründung des Gemeindepsychiatrischen Zentrums ist ein Pflegedienst-Mitarbeiter des WKK, Frank Röwenstrunk, als Leiter der Beratungsstelle "Die Brücke Dithmarschen e. V." und Koordinator des GPZ eingesetzt worden. Die Arbeit zwischen den Institutionen ist dementsprechend eng verzahnt. Erreichbar sind Röwenstrunk und seine Kollegen unter der Telefonnummer (0481) 785-2043.
Eine weitere personelle Entscheidung soll diese Verknüpfungen weiter vorantreiben: Dipl.-Psych. Christina Freytag, Leitende Psychologin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, ist mit einer halben Stelle zur neuen Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes bestimmt worden. Diese Institution des Kreises berät Menschen mit psy-chischen Problemen oder Störungen sowie deren Angehörige. Christina Freytag dient damit als Schnittstelle zwischen behördlichen und klini-schen Bereichen.
"Wir setzen auf Vernetzung statt Abgrenzung. Dahinter steht ein regio-naler sozialpsychiatrischer Versorgungsgedanke, und zwar mit dem Ziel, möglichst jeden betroffenen Dithmarscher auch in der Region betreuen zu können", erklärt Dr. Birker.
Einen weiteren Bereich möchten der Chefarzt und Daniela Erdmann noch weiter ausbauen. "Wir würden gern die Arbeitswelt der Patienten mit einbeziehen. Schließlich handelt es sich dabei um einen ganz we-sentlichen Lebensbereich", erläutert die Fachdienstleiterin. Daher werde nach Möglichkeiten gesucht, auch psychisch Kranke wieder in entspre-chenden Stellen auf dem Arbeitsmarkt einzugliedern.
Die Form der Zusammenarbeit zwischen Kreis und Krankenhaus wurde durch eine besondere Form der Finanzierung ermöglicht. Sowohl der Bereich Psychiatrie in Dithmarschen, als auch die Eingliederungshilfe sind mit festen Budgets ausgestattet worden. Die sinnvolle Verteilung des Geldes und die Ausgestaltung der Leistungen liegen damit in den Händen der Fachleute. Aufgrund dieser Konstellation wurde ein erstaunlicher Effekt beobachtet: Obwohl nicht mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen als früher - worüber sich die Leistungsträger freuen dürften - ist dennoch eine qualitative Verbesserung der Versorgung von psychisch Kranken zu beobachten.
Grundsätzlich sehen sich die Beteiligten auf einem guten Weg. Das Zusammenwachsen im Rahmen des Gemeindepsychiatrischen Zentrums als Anlaufstelle für alle Menschen mit kleinen und großen psychischen Problemen, ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt. Die Pläne sollen dabei Schritt für Schritt umgesetzt werden, um auch Betroffene behutsam an die neuen Strukturen heranzuführen.
01.08.2013
Psychiatrie in Dithmarschen: Fast alles "aus einer Hand"

Wollen die Kooperation zwischen Krankenhaus und Kreisverwaltung ausbauen: Chefarzt Dr. Thomas Birker und Fachdienstleiterin Daniela Erdmann. (Foto: WKK/Kienitz)

Wollen die Kooperation zwischen Krankenhaus und Kreisverwaltung ausbauen: Chefarzt Dr. Thomas Birker und Fachdienstleiterin Daniela Erdmann. (Foto: WKK/Kienitz)

Wollen die Kooperation zwischen Krankenhaus und Kreisverwaltung ausbauen: Chefarzt Dr. Thomas Birker und Fachdienstleiterin Daniela Erdmann. (Foto: WKK/Kienitz)