18.09.2013

Mit der Bauchspeicheldrüse durch das "Schlüsselloch"

Heide - Der Patient ist jung, berufstätig - und durch eine extrem seltene, erbliche Krankheit schwer vorbelastet. Eine große Operation im Bauchbereich hatte er bereits hinter sich. Jetzt stand der nächste Eingriff an. Doch statt eines großen Bauchschnitts entschied sich PD Dr. Erik Schlöricke für einen minimalinvasiven Eingriff, auch "Schlüssellochchirurgie" genannt. In sechsstündiger Operation entfernte er die Bauchspeicheldrüse, ohne die Milz und den Mageneingang zu beeinträchtigen. Der Eingriff erfordert höchste Konzentration und wurde jetzt im Westküstenklinikum erstmals - und in seiner speziellen Ausformung auch bundesweit zum ersten Mal - angewandt.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Der Patient aus Nordfriesland ist schneller genesen als bei den üblichen Techniken und konnte das WKK bereits wieder verlassen. "Da der jungen Mann aufgrund seiner Grunderkrankung in seinem Leben wohl noch einige Eingriffe zu erwartet hat, war es uns wichtig, dass wir so schonend wie nur möglich operieren", erklärt Dr. Schlöricke. Außerdem sollten die umliegenden Organe geschont und befallene Lymphknoten untersucht sowie entfernt werden.

Durch eingehende Untersuchungen war zuvor festgestellt worden, dass der nordfriesische Patient unter dem seltenen MEN 1-Syndrom leidet. Die erbliche Krankheit führt zu Gewebebildungen in den Drüsen, die sich zu Tumoren entwickeln können. Die Diagnostik in der Medizinischen Klinik des Westküstenklinikums unter Leitung von Prof. Dr. Fritz S. Keck hatte das gesamte Krankheitsbild des 30-jährigen Mannes offengelegt. Er litt unter einer Überproduktion von Magensäure, die durch das Hormon Gastrin angeregt wurde. Das wiederum ließ auf Gastrinome, also kleine Tumore schließen. Diese wurden in der Bauchspeicherdrüse und im Zwölffingerdarm nachgewiesen. Zur operativen Versorgung wurde der Patient daher in die Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie verlegt.

"Die erfolgreiche Detektivarbeit bei der Diagnostik und die anschließende, ebenfalls erfolgreiche Operation zeigen, dass unser Endokrines Zentrum im Westküstenklinikum bestens funktioniert. Durch die gemeinschaftliche Komplexbehandlung in mindestens drei Abteilungen sind wir in der Lage, auch sehr schwierige Fälle zu einem guten Ende zu führen", erläutert Dr. Marc Olaf Liedke, Chefarzt der Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie. Neben Viszeralchirurgie und Medizinischer Klinik ist vor allem das Institut für Nuklearmedizin unter Leitung von Prof. Dr. Holger Schirrmeister am Erfolg des Zentrums beteiligt. Das Konzept geht unter anderem auf die Zusammenarbeit mit der weltweit anerkannten endokrine Chirurgin Prof. Dr. Dr. Andrea Frilling zurück, die zurzeit in London lehrt und arbeitet.

Teamarbeit ist jedoch nicht nur klinikübergreifend wichtig. Auch während der Operation hängt der Erfolg nicht nur vom Wissen und dem Geschick des Operateurs ab. "Bei dem mehrständigen Eingriff hat das ganze OP-Team hervorragend mitgearbeitet", freut sich Dr. Schlöricke. Besonders die Assistenzärztin, die mit der Kameraführung betraut war, hatte eine große Verantwortung zu tragen. Bei der OP werden nämlich die Instrumente durch andere ("Schlüssel"-)Löcher geführt als die Kamera, die das Auge des Chirurgen ersetzen muss. Auf dem Bildschirm kann die Lage seiner Geräte im Inneren des Patienten überprüfen und entsprechend vorsichtig vorgehen.

Folgenlos bleibt die Behandlung - ganz gleich, welches Verfahren eingesetzt wird - indessen nicht: Ohne Bauchspeicheldrüse ist der Patient zum Diabetiker geworden. Dies kann jedoch gut eingestellt und medikamentös behandelt werden.