19.11.2010

Krankenhäuser: Zu wenige Ärzte – zu wenig Geld

Heide, 19.11.2010 - Der Ärztemangel und zu geringe Einnahmen drehen den schleswig-holsteinischen Krankenhäusern langsam aber sicher die Luft ab. "Wir steuern direkt auf eine Versorgungskatastrophe zu", machte Harald Stender, Geschäftsführer der Westküstenkliniken (WKK), im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Marburger Bundes, Rudolf Henke, deutlich. Der Internist und Ärztevertreter war auf Einladung des WKK-Betriebsrates nach Heide gekommen, um vor der Betriebsversammlung zu sprechen. Einen leichten Stand hatte er dabei nicht. Denn: Als CDU-Mitglied des Bundestages hat er das soeben verabschiedete Krankenkassen-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) mit zu verantworten; und das Gesetz sieht erhebliche Abstriche bei den 2008 zugesagten Einnahmen der Krankenhäuser vor. Als Vertreter der "Ärztegewerkschaft" Marburger Bund hingegen fordert er eine hundertprozentige Finanzierung aller Personalkosten der Krankenhäuser.

Auf einer Pressekonferenz mühte sich Henke redlich, diesen Konflikt zu entschärfen: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, beim gesetzgeberischen Verfahren eine Stimme zu haben als gar keine." Er verwies darauf, mit dem neuen Gesetz das Schlimmste noch abgewendet zu haben. Schließlich habe es Forderungen gegeben, die Krankenkassenbeiträge auf gar keinen Fall zu erhöhen. Gerade die Kassen hätten auch bei den Krankenhäusern die härtesten Einschnitte verlangt. "Immerhin haben wir dafür gesorgt, dass weitere acht Milliarden Euro ins Gesundheitswesen gelangen und die Krankenhäuser eine Grundlohnsummenerhöhung 0,9 Prozent statt der ursprünglich angedachten 0,25 bekommen. Das ist nicht nichts!", sagte Henke.

Mathias Stecher und Joachim Luplow vom WKK-Betriebsrat machten hingegen noch einmal ihre Hauptforderungen deutlich:

  • Angleichung der Basisfallwerte in allen Bundesländern ("Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!")
  • Abkoppelung der Entlohnung der Kliniken von der Grundlohnsumme, damit auch die Lohnsteigerungen gegenfinanziert sind.

Diese Forderungen wurden auch von Stender sowie von Dr. Hannelore Machnik, Vorsitzende des Landesverbandes des Marburger Bundes unterstützt.

Ebenso drängend wie die Finanzierungsgrundlagen der Krankenhäuser gestaltet sich der zunehmende Ärztemangel. Zurzeit seien bis zu 6000 Arztstellen in deutschen Krankenhäusern nicht besetzt, sagte Rudolf Henke. Er forderte daher bundesweit 1000 zusätzliche Studienplätze im Fach Medizin. Nur so könne langfristig die Abwanderung der Ärzte in andere Berufe oder ins Ausland ausgeglichen werden. Die Krankenhäuser müssten durch familienfreundliche Arbeitsplätze und neue Ausbildungskonzepte Ihr Übriges tun, um junge Ärzte zu halten.

Für das Westküstenklinikum ist das nichts Neues. Dort gibt es längst einen entsprechenden Betriebskindergarten und auch neue, innovative Weiterbildungsmodelle. WKK-Geschäftsführer Harald Stender zeigte dennoch das Problem noch einmal anhand der Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide auf. Bei insgesamt 230 Ärztestellen seien zurzeit elf nicht besetzt - das entspricht in etwa dem prozentualen Bundesdurchschnitt von knapp fünf Prozent.

Gegenüber dem prominenten Ärztevertreter und Bundespolitiker Rudolf Henke wurde Stender dann noch einmal ganz deutlich: "Die Politik versagt hier auf der ganzen Linie." Jetzt müsse gehandelt werden, nicht irgendwann. Konkret setzte sich der WKK-Chef dafür ein, die Zuwanderung von Ärzten aus Nicht-EU-Ländern deutlich zu vereinfachen. Das WKK hat mittlerweile Kontakt zur mexikanischen Universität von Puebla geknüpft. Die Anstellung der dringend benötigten Mediziner ist jedoch nicht einfach, weil es erhebliche gesetzliche Hürden gibt - vom Aufenthaltsrecht bis zur Anerkennung des Studienabschlusses.

 

Der Ärztemangel setzt sich mittlerweile auch in den Arztpraxen fort. Allein in Dithmarschen gibt es zurzeit elf unbesetzte Hausarztstellen. Etliche Ärzte befinden sich kurz vor der Rente, aber bei weitem nicht alle haben Aussicht auf einen Nachfolger. Und genau hier schließt sich der Kreis: Wenn die Krankenhäuser zu wenig Ärzte für die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner haben, werden sich in der entsprechenden Region auch weniger niederlassen. Der Mangel an Landärzten nimmt also weiter zu. In ihrer Not wenden sich dann immer mehr Patienten an die ohnehin überlastete Zentrale Patientenversorgung (ZPV) im Krankenhaus, für die dann auch nicht mehr genügend Ärzte zur Verfügung stehen werden.

Mathias Stecher und Joachim Luplow zeigten sich zum Abschluss der Pressekonferenz kämpferisch: "Mit unserer Kampagne "Krankenhaus in Not - gerecht geht anders" werden wir den Druck auf die Politik erhöhen. Immerhin vertreten wir darin zehn Mitarbeitervertretungen, hinter denen 15.000 Arbeitnehmer, also auch Wähler, stehen."

 

Infos zur Kampagne:
Mit der Fortsetzung der erfolgreichen Kampagne "Über(das)Leben im Krankenhaus" aus den Jahren 2008/2009 protestieren die Mitarbeiter der Krankenhäuser des 5K-Verbundes sowie weiterer Kliniken in Schleswig-Holstein unter dem Motto "Gerecht geht anders" gegen die Vorhaben im geplanten GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG). Aus folgenden Krankenhäusern beteiligen sich die Arbeitnehmervertretungen an der Kampagne:

  • Westküstenklinikum Heide
  • Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster
  • Klinikum Itzehoe
  • Klinikum Bad Bramstedt
  • imland Kliniken Rendsburg und Eckernförde
  • Klinikum Nordfriesland
  • Städtisches Krankenhaus Kiel
  • Diakonissenkrankenhaus Flensburg
  • Malteser Krankenhaus, Flensburg
  • Klinik Preetz

Unser Foto zeigt Henke (2.v.l.) mit Vertretern des WKK-Betriebsrates (v.l.): Britta Winko, Dr. Claudia Vollmers , Matthias Stecher, Joachim Luplow. (Foto: WKK/Kienitz)