18.05.2011

Bundesgesundheitsministerin a. D. Ulla Schmidt in Heide

Heide - Die Personal- und Betriebsräte der Krankenhäuser in Schleswig-Holstein sind sich einig: Zumindest die durch die Große Koalition im Bundestag beschlossenen neuen Finan-zierungsgrundlagen für Kliniken sollen wieder erreicht werden. "Nicht zuletzt wegen unserer Kampagne 'Über(das) Leben im Krankenhaus' sollte die Finanzierung der Krankenhäuser im Norden deutlich verbessert und an die südlichen Bundesländer angeglichen werden. Diese Vorhaben hat die neue Regierung weitgehend wieder zurückgenommen. Und das nehmen wir bestimmt nicht einfach klaglos hin", sagte Matthias Stecher, Betriebsratsvorsitzender des Westküstenklinikums und Sprecher der Kampagne, anlässlich einer Aussprache mit der früheren Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in Heide.

Die SPD-Politikerin sowie Bettina Hagedorn, Bundestagsabgeordnete aus Ostholstein, waren auf Einladung der wieder aufgelegten Kampagne mit dem Untertitel "Gerecht geht anders" in das Westküstenklinikum nach Heide gekommen. Nach Gesprächen mit den Geschäftsführungen des WKK und des 5K-Klinikverbundes sowie des regionalen Betriebsrates traf sie schließlich zu einer großen "Aussprache" mit Politikern aus der Region sowie mit Vertretern der anderen Personal- und Betriebsräte aus Schleswig-Holstein zusammen.

Ulla Schmidt machte in der Diskussion deutlich, dass sie froh über die Proteste im Jahr 2008 gewesen sei: "Dieser Protest half uns bei den vielen Gesprächen mit dem Koalitionspartner, unsere Positionen mit mehr Nachdruck zu vertreten." Die SPD-Politikerin zeigte Verständnis für die Haltung der Arbeitnehmervertreter, machte aber auch deutlich, dass ihre Partei lediglich über den Bundesrat und den Gesundheitsausschuss im Bundestag noch etwas bewegen könne. "Aber wir werden versuchen, den Ministerwechsel in Berlin zum Anlass zu nehmen, um die Themen erneut vorzutragen", zeigte sie sich entschlossen.

Die Arbeitnehmervertreter machten in der Diskussion noch einmal ihre Hauptforderungen deutlich:

1. Der Landesbasisfallwert, also die Berechnungsgrundlage für Krankenhausleistungen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist, soll bundesweit vereinheitlicht werden. Motto: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
2. Statt des bisherigen Grundlohnsummenmodells soll es einen "Warenkorb" geben. Damit werden die realen Kosten der Krankenhäuser unabhängig von den Einnahmen der Krankenkassen bewertet.
3. Für die zusätzlich von der damaligen Bundesregierung beschlossenen Mittel zur Anstellung weiterer Pflegekräfte soll es eine Nachfolgeregelung geben. Grundsätzlich müsse die Personalbemessung in den Krankenhäusern angesichts der stetig stei-genden Arbeitsverdichtung angepasst werden.

Sowohl Ulla Schmidt, als auch Bettina Hagedorn wollen die Forderung unterstützen, machten aber auch weitere Befürchtungen deutlich: "Wenn alle weiteren Kosten über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge finanziert werden, entwickelt sich das Gesundheitswesen weg von der solidarischen Finanzierung hin zur rein persönlichen Vorsorge."

Die Betriebsräte wiesen zudem auf die starke Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern hin, die dazu führten, dass immer mehr Pflegekräfte an einem Burn-out-Syndrom erkrankten oder ganz den Beruf wechselten. Die hohe Arbeitsbelastung gilt zudem als ein wichtiger Grund, warum die Zahl der Bewerber bei den Ausbildungsstellen zurückgeht. Ulla Schmidt: "Daher müssen wir alles versuchen, die Menschen im Beruf zu halten. Die Frage ist also: Was müssen wir tun, um 2020 gut aufgestellt zu sein?"

Die ursprüngliche Kampagne "Über(das)Leben im Krankenhaus" war von den Betriebsräten der Krankenhäuser des 5K-Verbundes 2008 ins Leben gerufen und ist mittlerweile mit dem Betriebsrats-Award ausgezeichnet worden. "In diesem Jahr haben sich uns aufgrund der dramatischen Verschlechterung der Krankenhausfinanzierung zahlreiche weitere Arbeitnehmervertretungen angeschlossen", berichtet Joachim Luplow, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Westküstenkliniken und einer der Organisatoren. Mittlerweile wird die Kampagne von mehr als zehn Personal- und Betriebsräten unterstützt, die insgesamt etwa 28.000 Beschäftigte in Schleswig-Holstein repräsentieren. Auch die Universitätskliniken Kiel und Lübeck beteiligen sich.

Bei Ihrem Besuch im Westküstenklinikum Heide streifte sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn (2. v. l.) das T-Shirt der Betriebsratskampagne über. Außerdem beteiligten sich an der Diskussion mit den Arbeitnehmervertretern (v. l.): Joachim Luplow, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Westküstenkliniken, Ex-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, WKK-Geschäftsführer Harald Stender und der Sprecher der Kampagne "Über(das)Leben im Krankenhaus", Matthias Stecher. (Foto: WKK/Kienitz)